9.6.2012
Ab dem 1.1.2012 kann man mit VRR-Ticket 2000 samstags auch
bis nach Kamp-Lintfort fahren. Jeweils um halb fährt der
SB 30 ab Duisburg Hauptbahnhof. Schon im rechtsrheinischen
Teil von Duisburg fährt der Bus auf die Autobahn und durch
bis ins niederrheinische Moers. Von hier sind es nur ein
paar Haltestellen bis in die Hochschulstadt Kamp-Lintfort
(es gibt hier die Rhein-Maas-Hochschule). Der Empfang bei
Kloster Kamp ist erstmal gewöhnungsbedürftig:
HOCH LEBE DAS KÖNIGSPAAR steht in Großlettern über dem Eingang
zum Abteiplatz. Es wird gerade ein großes Zelt aufgebaut
und emsige Helfer schmücken Bäume und Büsche mit bunten
Girlanden. Im ehrwürdigen Klostergarten hinter dem Kloster
merkt man nichts von den Schützenvereinsleuten - hier ist
eine ganz andere Welt. Und wenn mich der formen- und farbenfroh
penibel angelegte und gepflegte Garten mit seinen millimetergenau
gestutzten Hecken und Büschen sowie den geharkten Wegen
an Schloss Sanssouci in Potsdam erinnert, dann gibt es offenbar
tatsächlich eine Verbindung. In einem Laubengang sind Ausstellungstafeln,
die informieren, dass Friedrich der Grosse wirklich diesen
Garten kannte und eventuell sogar an der Gestaltung mitbeteiligt
war.
Fast
noch faszinierender als den prächtigen Garten finde ich
den Blick von hier aus auf die Türme des Bergwerks West,
das eins von nur noch drei verbliebenen Steinkohlebergwerken
im Ruhrgebiet ist, nachdem zuletzt das Bergwerk Ost in Hamm
schließen musste. Flüchtig habe ich von der Stadt aus die
Türme der Zeche gesehen; hier ist das im Zusammenhang mit
dem prächtigen barocken Garten ein wunderbarer Kontrast.
Zurück gehe ich zu Fuß bis zur Fußgängerzone von Kamp-Lintfort
(ca. 2 km). Bei einem Bäcker kaufe ich Brötchen (heute kosten
im Angebot 5 Brötchen 1 Euro) und eine NRZ, die hier zu
meiner Überraschung Neue Rheinzeitung heißt, obwohl hier
ja auch das Ruhrgebiet ist. Am Schaufenster entdecke ich
ein Plakat der RAG Steinkohle mit der Information, dass
am 16. Juni im Bergwerk ein Tag der offenen Tür mit Grubenfahrten
etc. ist. So etwas sollte man sich nicht entgehen lassen.
Schließlich wird auch dieses Bergwerk Ende des Jahres geschlossen.
Auf der Rückfahrt sehe ich aus dem Bus kurz hinter Kamp-Lintfort
die Halde Pattberg in Moers, auch an einer Stelle das Haus
auf der Halde Norddeutschland in Neukirchen-Vluyn.
15.6.2012
Am letzten Samstag hatte ich noch Seref vom ehemaligen Büdchen
an der Ratinger Kaiserswerther Straße getroffen. Ich war
gerade zurück aus Kamp-Lintfort und bin mit dem Rad noch
vom Flughafen zum Supermarkt in Ratingen-West für ein paar
Einkäufe vorbeigefahren. Mit seinem Enkel Tiji war er dort
auch beim Einkaufen und spontan erzählte ich ihm von dem
Ausflug. Das fände er verrückt, sagte er daraufhin. Naja,
schon okay, ich kenne „den Sheriff“ (Seref) gut, wir können
so offen miteinander reden. Inzwischen hat er einen neuen
Job, erzählte er. In Duisburg in einem Betrieb von Familienangehörigen
ist er jetzt angestellt, richtig mit Steuerkarte. Da bleibt
ihm nicht die Zeit für so einen Ausflug. Das ist klar. Auch
in Zeitungen steht einiges über die Veranstaltung morgen.
Es wird tatsächlich wie eine Abschiedsveranstaltung vom
Bergwerk und von 100 Jahren Bergbau am Niederrhein. Und
der Moderator ist ein guter Bekannter, nämlich der beliebte
Sportreporter Manni Breuckmann. Ein „Ruhri“ ist das natürlich
– aus Datteln:
http://www.rp-online.de/niederrhein-nord/moers/nachrichten/abschied-nach-100-jahren-1.2866684
http://www.derwesten.de/staedte/nachrichten-aus-moers-kamp-lintfort-neukirchen-vluyn-rheurdt-und-issum/bergwerk-west-in-kamp-lintfort-will-mit-stolz-schliessen-id6471642.html
16.6.2012
Ratingen grenzt zwar an das Ruhrgebiet, ist aber doch etwas
anders als das Ruhrgebiet. Fast alle, denen ich begeistert
erzählt habe von dem Tag der offenen Tür heute im Bergwerk
West, haben mehr oder weniger mit den Achseln gezuckt. Das
interessiert im Nicht-Ruhrgebiet offenbar nicht so viele
Leute. Dabei ist vor dem Werkstor des Bergwerks, was viel
größer und imposanter ist als ich es mir vorstellte, in
der Größenordnung vom Essener Zollverein, inmitten von tausenden
Wartenden auf die Eröffnung dieses Festtages ein richtiges
Gänsehauterlebnis zu spüren. Man denkt an die Massenproteste
gegen die Schliessungen der Krupp-Hütte Rheinhausen oder
der Henrichshütte Hattingen und andere politische Grossveranstaltungen
anlässlich des Strukturwandels im Ruhrgebiet. Immerhin schliesst
ja auch das Bergwerk West Ende des Jahres - Sylvester 2012
wird die letzte Kohle hier gefördert. Aber eigentlich wird
heute "nur" ein Tag der offenen Tür gefeiert, ein "Familienfest"
steht auch auf diesen Ansteckern, die Kinder basteln können.
Um 12 Uhr wird das Werkstor ein Stück geöffnet; es entsteht
inmitten der Wartenden eine gewisse Unruhe. Einer der Wartenden
sagt: "Das ist wie bei der Loveparade". "Genau da hatte
ich auch dran gedacht", sage ich und der junge Mann erzählt,
dass er in Duisburg in der Nähe des Karl-Lehr-Tunnels wohnt
und schon bei der Planung der Loveparade mit dem Schlimmsten
gerechnet hatte. Hier sind zwar viele Menschen, aber doch
nicht Hunderttausende wie bei der Loveparade, unterwegs
und alle warten sehr diszipliniert, bis sie eingelassen
werden. Als wir endlich drinnen sind, bleibt mir zuerst
keine Gelegenheit, die grossartige Industriekulisse zu bewundern.
Jetzt stehe ich nämlich schon direkt in der nächsten Schlange,
wo die Karten zu den Grubenfahrten verkauft werden. Erst
geht es zügig voran, aber dann stockt die Schlange und es
geht nicht mehr weiter. Ich verzichte nach über einer Stunde
nerviger Wartezeit auf die Grubenfahrt, die zwar garantiert
ein einmaliges Erlebnis gewesen wäre, aber nicht um den
Preis zerrütteter Nerven. Auch ohne Grubenfahrt wird den
wirklich zahlreichen Besuchern hier vieles geboten: ein
Festzelt ist aufgebaut, Animateure auf Stelzen oder auf
seltsamen Fahrgeräten unterhalten die Leute, artistische
Gruppen führen an dem Turm Kunststücke vor. Für die Kinder
sind Hüpfburgen und Klettergeräte aufgebaut. Durch zahlreiche
Lautsprecher auf dem gesamten Werksgelände verbreitet moderiert
der bekannte Sportreporter Manni Breuckmann diese kurzweilige
Veranstaltung in einer von 3 noch aktiven Zechen des Ruhrgebiets.
Spannend. Und in einem Zelt des Betriebsrats vom Bergwerk
West sehe ich dann tatsächlich Manni Breuckmann, der sich
gerade mit einem der Betriebsräte des Bergwerks unterhält.
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